Kann Rot-Weiß Erfurt einen ambitionierten Karlsruher SC fordern ?

Wenn Sonntag die Schwiegermutter allein Kaffee trinken muss, weil die Rot-Weiß Fans mit Kind und Kegel im Steigerwaldstadion sind, treffen gravierende Unterschiede in Liga 3 ebenso aufeinander wie uralte deutsche Fußballtradition beim angesetzten Spiel zwischen dem am Tabellenende strampelnden FC Rot-Weiß Erfurt und einem ambitionierten und nach dem Aufstieg strebenden Karlsruher SC.

Als der deutsche Fußballpionier Walter Bensemann – der unter anderem 1920 das Fußballmagazin „ Kicker „ gründete – 1894 den FC Phoenix Karlsruhe gründete, dauerte es noch ein Jahr, bis in Erfurt ebenfalls Fußballenthusiasten den SC Erfurt 1895 aus der Taufe hoben und damals an der Cyriaksburg der erste organisierte Vereinsfußball in Erfurt gespielt wurde.
Beide Vereine gehörten dann im Jahr 1900 zu den Gründungsmitgliedern des DFB.
1909 duellierten sich beide Vereine erstmals. Das war im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft und auf lange Zeit durch zwei Kriege und die deutsche Teilung auch das letzte Mal.
Der SC Erfurt unterlag dabei deutlich mit 1:9 den Badenern, die am Ende in Breslau (Wroclaw) im Finale gegen Viktoria Berlin Deutscher Meister wurden.
Nie wieder sollten die Badener das erreichen. 1955 und 1956 konnten sie noch den DFB-Pokal gewinnen im Westen Deutschlands..
Im Osten Deutschlands stand der damalige SC Turbine Erfurt in seiner Blütezeit mit zwei Meistertiteln in 1954 und 1955.Auch der RWE konnte danach nie wieder einen Titel erringen.

Nach der deutschen Einheit waren Partien gegeneinander weiterhin rar gesät. Die Badener waren seit 1963 bis auf 3 Ausnahmen durchgängig festes Mitglied der ersten und zweiten Bundesliga. Mit überragenden Zeiten unter dem ehemaligen Trainer „Winnie „ Schäfer , als das Team sich mit einem „Euro-Eddy „ Edgar Schmitt zB beim legendären 7:1 gegen den FC Valencia durch Europa schoß in den 90er Jahren.

Wenn Sonntag beide in Liga 3 aufeinander treffen, ist von den einst glorreichen Zeiten beider Vereine nicht mehr viel übrig. Nach 2000 und 2012 hat es 2017 den Karlsruher SC Mühlburg – Phoenix eV – wie er offiziell heisst – erneut erwischt mit einem Abstieg in eine dritte Spielklasse.

Ähnlich 2012 hatte auch 2017 der KSC sehr viel Mühe, sich in der Liga 3 zurecht zu finden mit einem sehr holprigen Saisonstart. Kurzzeitig war man sogar in Berührung mit den Abstiegsplätzen. An den ersten 11 Spieltagen holte der KSC nur 3 Siege, 3 remis und kassierte 5 Niederlagen. Zeitweise stand der KSC in der Tabelle sogar hinter Rot-Weiß Erfurt am Saisonbeginn.

Seitdem landeten die Badener jedoch eine Serie von 17 Spielen ohne Niederlage – bei denen sie allein 11 Siege holten sowie 6 remis erreichten.
Noch auffälliger ist jedoch beim KSC, das er seit der Amtsübernahme durch den Ex-RWE-Trainer Alois Schwartz vor dem 7.Spieltag in 22 Partien seitdem in 15 Spielen „ zu Null „ spielte. Das ist fast sensationell und Ligaspitzenwert. Darüber hinaus auch die Grundlage, warum der KSC von Platz 17 am 7.Spieltag als absolutem Tiefpunkt der Saison heute auf Platz 3 steht und tatsächlich unter Alois Schwartz noch ein gewichtiges Wort um den Aufstieg mitreden wird. Ganze 3 Punkte trennen die Badener noch vom 1.FC Magdeburg und dem SC Paderborn.
Die Auswärtsbilanz der Badener zeigt, das sie im Zweifelsfall das remis mitnehmen. Bei 14 Auswärtsspielen holten sie nur 3 Siege – diese allerdings in Rostock, Paderborn und Halle. Dazu gab es 6 Punkteteilungen und immerhin 5 Niederlagen. Die letzte Auswärtsniederlage des KSC datiert allerdings auch schon vom 01.Oktober 2017 in Meppen. Das ist über 5 Monate her.

Alois Schwartz hat also ganz viel richtig gemacht mit seinem KSC. Das er zweite Liga kann, zeigte er seit seinem Weggang bei RWE 2013 beim SV Sandhausen und beim 1.FC Nürnberg in der 2.Bundesliga. Auch Aufstieg in Liga 2 kennt er – ausgerecnet bei Rot-Weiß Erfurt 2003/2004 als Co-Trainer von Rene Müller damals. Das er auch Klassenerhalte hinbekommt, belegte er ebenfalls bei RWE in 2012/2013.
Diese Saison bewahrte er den KSC anfangs vor einem weiteren Abtrudeln und brachte anschließend – kaum für möglich gehalten – den Verein noch ernsthaft in das Aufstiegsrennen ein. Das beweist auch sein Punkteschnitt von 2,17 pro Partie. Es ist aktuell das beste Ergebnis seiner Trainerkarriere bisher.

Personell ist Alois Schwartz sehr gut aufgestellt.
Lediglich Andreas Hoffmann fehlt, der jedoch kein Stammspieler ist. Ansonsten hat Alois Schwartz Zugriff auf den vollen Kader ohne verletzte und ohne gesperrte Spieler.
Eine seit Monaten eingespielte Abwehr um Torwart Uphoff sowie gestandenen Abwehrspielern wie Pisot sowie Gordon einerseits und den jungen dynamischen Außenverteidigern Bader und Föhrenbach andererseits sind die Grundlage, das ein Gegner meist wenig bis keine Torchancen bekommt. Das kompakte Mittelfeld mit den Defensiven Mehlem und Wanitzek lässt oft auch wenig zu und unterstützt den eigenen Spielaufbau über die jungen Außenbahnspieler Camoglu sowie Muslija. Eingebunden wird der „Oldie „ Anton Fink , der – anders als noch in Chemnitz – eher nicht der gefürchtete Torjäger ist, sondern zumeist offensiver Ballverteiler. Trotzdem bereits 5 Tore auf dem Konto hat und 3 Assist. Und funktioniert dieses Karlsruher Spiel mit zentraler Achse erfahrener Spieler und schnellen jungen Außenspielern , dann taucht ganz vorn ein Fabian Schleusener auf , der in 28 Spielen bereits 13 mal einnetzte und 3 Vorlagen lieferte.
Wer dann noch Spieler wie Orlishausen, Stoll, Bülow, Stroh-Engel, Lorenz oder Pourie auf der Bank hat, muss sich sicher keine Sorgen machen.
So wurde zuletzt die SG Sonnenhof Großaspach souverän mit 3:1 aus dem Wildparkstadion geschickt.

Taktisch favorisiert Schwartz für dieses Funktionieren der Badener immer wieder Systeme wie 4-4-1-1, 4-2-3-1 oder 4-4-2 mit Doppelsechs. Er setzt zu allererst auf eine gut funktionierende Defensive mit schnellem Umkehrspiel nach Ballgewinn.
Ganz leidvoll mussten das gleich mehrere Drittligisten selbst im Karlsruher Wildparkstadion erfahren, von der Heimmannschaft sogar ausgekontert zu werden und das bis in die 90.Minute und die Nachspielzeit hinein.
Auch Rot-Weiß Erfurt erwischte es da im Hinspiel – lange stand es 0:1 durch ein unglückliches Eigentor von Laurito. RWE bemühte sich redlich lange um den Ausgleich. In der 90.+2 schlug dann Schleusener mit einem Konter zu und machte das 2:0. Es ist eines jener Spiele von RWE, in denen das Reizthema Schlußminute, Nachspielzeit und Gegentore eine Rolle spielt , weil über die Saison sowie in den letzten beiden Partien im Derby und in Unterhaching Rot-Weiß genau damit erneut Punkte verspielte.

Traf man auf den KSC, so hatte RWE in den 2000er Jahren die Nase vorn. 2000/2001 gewann man in Karlsruhe sogar 3:0, in Erfurt hieß es 0:0. Nach der Runde verlor RWE seine Talente Engelhardt und Fritz für kolportierte 1,5 Millionen DM an den KSC, unter anderem auch, um eine Insolvenz zu vermeiden.
In der zweiten Bundesliga 2004/2005 gewann RWE zu Hause 4:2. Es ist der letzte Erfurter Sieg gegen die Badener. Im Rückspiel im Wildpark unterlag Rot-Weiß 0:2 , womit der Abstieg aus der 2.Bundesliga damals endgültig war.
8 Jahre später – 2012/2013 – traf man sich wieder. Unter Alois Schwartz gab es für RWE eine 0:3- Niederlage in Baden und ein 0:1 zu Hause. Der KSC stieg souverän in die 2.Bundesliga wieder auf.

Angesichts der Stärken des KSC in dieser Saison und der dürftigen Heimbilanz von Rot-Weiß steht vor der Mannschaft ein harter Brocken. Die beste Defensive der Liga gegen die schlechteste Offensive der Liga. Dazu das Trauma der 90.Minute bei RWE aus den letzten Spielen.
Aber immer genau dann, wenn dem FC Rot-Weiß sowieso niemand etwas zutraute, schlug die Mannschaft überraschend zu. Das mussten in der Rückrunde bereits der 1.FC Magdeburg und der SC Paderborn erfahren. Gelingt es den Jungs von Stefan Emmerling, aus den Vorstellungen im Derby und in Unterhaching noch eine Schippe oben drauf zu legen und auch dem dritten Aufstiegsaspiranten ein Bein zu stellen?
Erkämpfen muss es mit hoher Wahrscheinlichkeit dieselbe Mannschaft wie in Unterhaching. Auf Knoll, Kammlott, Neuhold sowie Ludwig kann Trainer Stefan Emmerling weiterhin nicht zurückgreifen. Gesperrt oder von Sperren bedroht ist aktuell kein Spieler.
Und so haben denn alle im Kader die Chance zu beweisen, das sie eigentlich besser sind als der aktuelle Tabellenplatz und auch ein Karlsruher SC bezwungen werden kann. Auch für das eigene Selbstbewusstsein und für die eigene Entwicklung nach dieser Saison.
Weil man den Jungs in Rot-Weiß das schlicht auch zutrauen kann, wieder für eine Überraschung zu sorgen, kann man den Kaffee bei der Schwiegermutter gern abbestellen und sich aufmachen in das Steigerwaldstadion , im besten Falle die Schwiegermutter sogar mitnehmen.

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