Der FC Rot-Weiß Erfurt geht an der Saale in das 103. Thüringenderby

Seit 1947 werden Statistiken darüber geführt, wie oft im Thüringenderby gegeneinander gespielt wurde.
102 Partien weist seitdem die Nachkriegsstatistik an direkten Duellen beider Vereine aus in allen Ligen und Pokalwettbewerben, in denen man sich begegnete – mit 36 Siegen für RWE, 24 remis und 42 Siegen für den anderen Verein von der Saale.
Gewiefte RWE – Freunde ziehen auch gern einmal die Vorkriegsstatistik des Erfurter SC mit heran – das Verhältnis ist dann auf Erfurter Seiten.

Wobei die heutige Rivalität beider Vereine wie ihrer Anhänger ihre Ursachen eher aus Zeiten der DDR – Oberliga hat, sich dort entwickelte, manifestierte sowie in die heutige Zeit mitgenommen wurde. Ob man rot-weiß oder andersfarbig ist, ist irgendwo fast wie eine Glaubensfrage und Thüringen recht übersichtlich in dieser Frage geteilt. Der Thüringer Fußballäquator verläuft in etwa durch die Klassikerstadt Weimar und teilt dort die Lager im Thüringer Land.

Die Frage, wer denn die Nummer 1 in Thüringen nun tatsächlich sei – immer wieder wird sie neu gestellt und immer wieder gibt es je nach Lager die Antwort. Natürlich ist man aus der Sicht jedes Lagers die Nummer 1 und führt seine „ Fakten „ heran, warum das so sei.
Dabei zeigt die Geschichte des DDR – Fußballs, das es durchaus unterschiedliche Zeiten für beide Vereine gab. Auch nach der Deutschen Einheit verliefen die Wege recht wechselhaft.

In all den Jahren kann Rot-Weiß Erfurt für sich beanspruchen, in der Saison 2004/2005 als einizger der beiden Vereine 2 Klassen höher gespielt zu haben als der Erzrivale. Ansonsten war man all die Jahrzehnte meist auf Augenhöhe in einer Liga oder einer der Rivalen maximal eine Spielklasse höher. Auch war der FC Rot-Weiß Erfurt nie in seiner ganzen Nachkriegsgeschichte jemals viertklassig gewesen – dem Rivalen von der Saale passierte das dann doch gleich zweimal.

Die vielen Geschichten rund um die Derbys werden dieses Mal jedoch von all den sportlichen und wirtschaftlichen Problemen des FC Rot – Weiß Erfurt überlagert. Realistisch ist wohl eher, das es im Punktspielalltag auf längere Zeit das letzte Thüringenderby sein wird.
Einzig im Landespokal könnte es in den nächsten Jahren zu Begegnungen im Steigerwaldstadion kommen.
Erstmalig in seiner Vereinsgeschichte überhaupt wird der FC Rot-Weiß Erfurt am Saisonende wohl viertklassig sein und als „ Dino „ die Liga 3 verlassen.

Nach 5 Jahren Liga 4 hatten die Saalestädter in der Relegation 2017 mit einigen Mühen gegen den Sieger der Regionalliga West Viktoria Köln in der Relegation den Aufstieg geschafft in die Dritte Liga.
Leipzig, Neustrelitz, Magdeburg und Zwickau waren jeweils das Maß der Dinge in Liga 4 in den Jahren seit 2012 und nicht Carl Zeiss – was im Selbstverständnis von Verein und Fans wenig Freude fand als selbst empfundener Traditiionsverein. Riesig auch die Rückstände auf die jeweiligen Spitzenreiter – mindestens 15 Punkte bis teilweise weit über 20 Punkte. Und das unter immerhin professionellen Bedingungen und finanzieller Hilfe eines Herrn Duchatelet aus Belgien.
Am Erzrivalen sieht man überdeutlich das ganze Dilemma an Liga 4 – und jeder Rot-Weiße sollte sich klar sein, das Liga 4 nicht automatisch sofortiger Wiederaufstieg heißt. Sondern Neubeginn.

Anfang September 2017 gab es nach 6 Jahren wieder ein Thüringerderby aus Anlaß eines Punktspieles im inzwischen umgebauten Erfurter Steigerwaldstadion. Leider nur vor etwa 11.900 Zuschauern im „Dreiseitenhof „ – die Neverending-Story zur alten Westtribüne ist hinreichend bekannt.
Der FC Rot-Weiß Erfurt feierte mit dem Tor des Tages von Christopher Bieber den Derbysieg, dazu den ersten Saisonsieg überhaupt und übergab die „ Rote Laterne „ auch mal prompt an den ungeliebten Rivalen zur Aufbewahrung an der Saale.

Sichtliche Eingewöhnungsprobleme in die Liga hatte man anfangs bei Carl Zeiss, Darüber hinaus war und ist man das schwächste Auswärtsteam der Liga bis heute.
Rein sportlich waren im letzten Derby am Steigerwald die Gäste eigentlich besser. Der damalige RWE – Trainer Stefan Krämer meinte nach dem Spiel : „Fußballerisch war das in den letzten Wochen unser schlechtestes Spiel, aber wir haben gewonnen. Das ist das Wichtigste im Augenblick. „

In der Halbzeitpause jenes Derbys wurde gleich einmal das nächste Derby organisiert – per Los im Landespokal von Erfurts Sportlegende Gunda Niemann – Stirnemann. Raunen und Aufschrei gab es im Steigerwaldstadion in einem, als zum Schluß das Derby gezogen wurde aus dem Topf mit dem Heimvorteil für Carl Zeiss.
Pokal im Abbe – Sportfeld als Thüringenderby ist allerdings nicht die Disziplin von RWE. Da gab es in der Zeit nach 2010 heftige Nackenschläge für den geneigten RWE – Fan an der Saale.
Und so verlor auch Neu – Trainer David Bergner sein erstes Pflichtspiel nach der Krämerschen Demissionierung auf dem Abbe – Sportfeld im Pokal mit mutiger Besetzung und durchaus mutigem Auftritt mit 1:2. Der RWE zeigte seine altbekannten Schwächen. Gut mitgespielt, viel investiert, nichts gewonnen.
Um jenen Pokaltag herum hatten sich die Verhältnisse bereits zu drehen begonnen. Die „Rote Laterne „ in der Liga stand bereits wieder am Steigerwald und wird seitdem hier aufbewahrt. Der Rivale von der Saale verabschiedete sich Stück für Stück bis heute von den Abstiegsplätzen in das untere Mittelfeld.

In den Heimspielen von Carl Zeiss gibt es für Gäste wenig zu holen. Nur Fortuna Köln gelang es – das war jedoch auch schon am 3.Spieltag der Saison mit 2:0 im ersten Heimspiel von Carl Zeiss.. Danach schafften es vereinzelt eher kampfkräftige sowie defensivstarke Mannschaften, zumindest remis an der Saale zu spielen – zum Beispiel die SF Lotte, der SV Meppen, Sonnenhof Großaspach, der KSC, VfL Osnabrück und überraschend auch der Chemnitzer FC.
Ligakrösusse hingegen wie der SC Paderborn, SV Wehen Wiesbaden oder Hansa Rostock mussten erfolglos wieder heimfahren mit Niederlagen.
Besonders Timmy Thiele fiel dabei auf mit seinen Toren. In den letzten 5 Spielen schoß er 7 seiner 8 Tore und diese alle im Abbe – Sportfeld. Dabei hat Thiele gerade einmal 13 der 25 Punktspiele mitgemacht, fehlte zwischendurch wochenlang wegen hartnäckiger Verletzungsprobleme.
Die Heimstärke von Carl Zeiss – aus 13 Spielen 24 Punkte mit 19 :13 Toren – geht also vor allem auch auf die letzten Heimspiele sowie Thiele – Tore mit zurück. Thiele ist mit Abstand der beste Torschütze bei Carl Zeiss.
Diese Heimstärke sichert dem Aufsteiger derzeit Platz 15 mit 29 Punkten sowie 7 Punkte Abstand auf den ersten Abstiegsplatz. Dazu kommt die achtbeste Defensive der Liga mit ganzen 33 Gegentoren. Und 11 Punkte vor RWE sind auch eine Ansage unter Erzrivalen – das war in Liga 3 sonst eher anders herum in der Zeit, bevor Carl Zeiss 2012 aus Liga 3 absteigen musste.

Carl Zeiss kann am Sonntagnachmittag bei voraussichtlich sonnigem, kalten Wetter im ausverkauften Abbe – Sportfeld fast mit voller Kapelle antreten. Deren Kapitän Rene Eckardt leidet an einer Rachenentzündung, sein Einsatz ist ebenso fraglich wie der des angeschlagenen Bock.. Ausfallen werden auf Carl Zeiss – Seite ebenfalls Erlbeck ( der gern einmal im Pokal gegen RWE traf) sowie Schlegel, die ebreits länger verletzt sind. Im Mittelfeld muss sich also Trainer Zimmermann etwas einfallen lassen.
Neben Löhmannsröben dürfte damit auch Pannewitz in der Startelf stehen, der nach seinem Absturz aus der Bundesliga in die Niederungen des Amateurfussballs seine letzte Chance auf Profifussball nun offensichtlich nutzt. Talent hatte er schon immer. Verzweifelt sind die meisten Trainer eher an seiner Einstellung – selbst ein als „harter Hund „ bekannter Felix Magath bekam in damals nicht in die Spur.
Das Pannewitz nach wenigen Einsätzen bereits bei 4 gelben Karten steht ist bemerkenswert. Ebenso müssen die sich teilweise emotional agierenden Koczor und Thiele vorsehen zusammen mit Innenverteidiger Slamar, die ebenfalls alle 4 gelbe Karten auf dem Konto haben und bei der nächsten Karte einer Sperre entgegen sehen.

Ganz anders die Situation bei unserem FC Rot-Weiß Erfurt. Seit Beginn der Rückrunde steht man unverändert auf Platz 20 trotz zweier überraschender Siege gegen den 1.FC Magdeburg und dem SC Paderborn. Im Tagesgeschäft gegen die Mitkonkurrenten im unteren Bereich werden jedoch weiterhin regelmäßig die Punkte abgegeben wie zuletzt gegen Preußen Münster sowie den FSV Zwickau. 10 Punkte Rückstand sind es aktuell auf den ersten Nichtabstiegsplatz. Dabei ist ein weiterer Punkt Abzug aus dem DFB – Strafmaß auf Grund ungenügender Lizenzunterlagen noch offen. Wirtschaftlich befassen sich Aufsichtsrat und Präsidium mittlererweile mit der Prüfung eines Planinsolvenzverfahrens. Trainer Emmerling hatte unter der Woche zu diesem Thema die Mannschaft zusammen, um mit den Spielern darüber zu sprechen. Der Trainer verlangt von den Spielern trotz aller widrigen Umstände eine seriöse Einstellung in den Spielen, zum Verein sowie in der Leistung am Spieltag.

Sportlich ist die Aufgabe Thüringenderby immer reizvoll. Es geht um Rivalität, Ehre, Stolz und einen Prestigesieg über den Erzrivalen vollkommen unabhängig von einem Tabellenplatz. Selbst wenn man am Ende der Saison absteigen sollte, möchte keiner in Rot-Weiß in einem Derby eine Niederlage kassieren oder gar demütigend abgeschossen werden. Auch hier beginnt das Spiel in Minute 1 mit 0:0 und gleichen Chancen für beide Seiten.

Was die Aufgabe sportlich für RWE schwer macht, ist der aktuelle Kaderzustand. Knoll, Neuhold, Kraulich werden im Defensivbereich wegen ihrer Verletzungen fehlen. Dazu kommen im offensiven Bereich Razeek, Ludwig und nun auch noch Kammlott für voraussichtlich mehrere Wochen nach einem Innenbandriß im Spiel gegen den VfR Aalen. Merveille Biankadi ist zwar nach abgesessener Sperre wieder dabei. Dafür fehlt nun Luka Odak mit Sperre nach seiner 10. gelben Karte aus dem Spiel gegen den VfR Aalen. Vollkommen offen sind die Personalien Daniel Brückner, Andre Laurito sowie Tugay Uzan.
Eigentlich stellt sich die Mannschaft fast von selbst auf inklusive der Bank.

Für Rot-Weiß Erfurt heißt dieses Thüringenderby bestehen gegen den Erzrivalen und widerstehen gegen dessen aktuelle Heimstärke. Ein Derby ist auch mental immer ein wenig anders als das „ normale „ Punktspiel. Man hofft, das die Atmosphäre – die hitzig und bisweilen giftig sein wird – die Mannschaft nicht beeindruckt, sondern eher vielleicht einiges frei setzt. Rund 10.000 Zuschauer werden im ausverkauften Abbe – Sportfeld sein inklusive 850 mitreisender RWE – Fans. Leider bekam RWE auf Grund der aktuellen Baumaßnahmen im Abbe – Sportfeld nicht mehr Karten.

Alle RWE – Fans fiebern dem Derby entgegen und wünschen sich in der derzeitigen Lage einen Derbysieg als Stimmungsaufheller. Im Sinne der gebeutelten Vereinskassen bei Rot-Weiß sollte es jedoch nicht hitzig werden im unangenehmen Sinn durch unsere Fans, die vor Ort sein werden.
Bei aller Rivalität gegenüber dem Erzrivalen sollten wir alle daran denken, das es ein Derby ist und um 90 Minuten Fußball geht.

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